Gesetz „NetzDG“ gegen Hass im Netz in Deutschland – Berliner Gesetzgeber blamiert sich – europarechtswidrig?

9. März 2022

Gesetz "NetzDG" gegen Hass im Netz in Deutschland - Berliner Gesetzgeber blamiert sich - europarechtswidrig?

Verwaltungsgericht Köln urteilt im Eilverfahren gegen Deutschland – Unwirksamkeit durch Fehler in Normen. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sollte ab dem Stichtag vom 01.02.2022 in einer verschärften Fassung gelten. Große Marktteilnehmer hätten ab diesem Tage an das Bundeskriminalamt die schlimmsten Entgleisungen im Internet melden müssen. Hiergegen klagten die betroffenen Tech-Giganten und bekamen jetzt vor dem Verwaltungsgericht Köln in einer Eilentscheidung Recht. Nachteil dieser Entscheidungen ist, dass jetzt Meta Platforms Ireland Limited (also Facebook) und Google Ireland Ltd (u.a. Youtube) erst einmal von der Meldepflicht befreit sind. Die Entscheidungen der ebenfalls klagenden Twitter International Unlimited Company (6 L 140/22) und TikTok Technology Limited (6 L 183/22) stehen noch aus. Die endgültigen Entscheidungen liegen allerdings noch nicht vor.

Handwerkliche Fehler in Deutschland – Europarecht überlesen oder nicht beachtet

Warum konnte es passieren, dass die verschärfte Fassung des deutschen Gesetzes unwirksam ist? Europarecht hat höheren Rang als nationales Recht. Wenn also ein deutsches Gesetz gegen eine Richtlinie der Europäischen Union verstößt ist die wegen des Prinzips des höherrangigen Rechts mit einem Makel behaftet. Diese ist schlicht „unwirksam“. Das ist unter den Juristen namentlich natürlich denjenigen, die Gesetze vorschlagen und erstellen, bekannt. Wie es zu diesem handwerklichen Fehlern kommen konnte ist nicht bekannt.

Fehler in den Normen, die zur Unwirksamkeit führen

In der Sache hat das Gericht entschieden, der Gesetzgeber habe bei der Einführung des § 3a NetzDG gegen das Herkunftslandprinzip der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (ECRL) verstoßen. Nach diesem Prinzip richten sich die rechtlichen Anforderungen an einen in einem Mitgliedsstaat der EU niedergelassenen Anbieter elektronischer Dienste nach dem Recht seines Sitzstaates. Die Antragsgegnerin könne sich nicht auf Ausnahmen von diesem Prinzip berufen, da der Gesetzgeber weder das für Ausnahmen vorgesehene Konsultations- und Informationsverfahren durchgeführt habe noch die Voraussetzungen eines Dringlichkeitsverfahrens vorgelegen hätten.

Das sei der Fall:

Das novellierte NetzDG verpflichtet mit dem neu eingefügten § 3a Anbieter sozialer Netzwerke dazu, Inhalte, die ihnen im Rahmen einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte (sog. NetzDG-Beschwerde) gemeldet worden sind und welche sie entfernt oder zu denen sie den Zugang gesperrt haben, auf das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für bestimmte Straftatbestände zu überprüfen. Liegen solche Anhaltspunkte vor, müssen die Inhalte zusammen mit bestimmten Nutzerangaben an das Bundeskriminalamt übermittelt werden. § 3b NetzDG verpflichtet die Anbieter sozialer Netzwerke dazu, ein Gegenvorstellungsverfahren in Bezug auf Entscheidungen über die Entfernung oder die Sperrung des Zugangs zu einem Inhalt einzuführen. In § 4a NetzDG wird das Bundesamt für Justiz als für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des NetzDG zuständige Behörde bestimmt.

Für Youtube hat das Gericht festgestellt – falsche Aufsichtsbehörde

§ 4a NetzDG, der nur im Verfahren von Google Streitgegenstand war, verstoße gegen die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die auf Videosharingplattform-Dienste Anwendung finde. Diese statuiere den Grundsatz der rechtlichen und funktionellen Unabhängigkeit der zur Überwachung der Pflichtenerfüllung der Diensteanbieter zuständigen Medienbehörden. Da das als Bundesoberbehörde eingerichtete Bundesamt für Justiz mit Sitz in Bonn dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz unterstehe und von diesem Weisungen entgegennehme, könne von der von der Richtlinie geforderten Staatsferne beim Bundesamt für Justiz keine Rede sein.

Die Entscheidung des Verwaltungsgericht mag stimmen – stellt allerdings zugleich eine Ohrfeige für die Qualität der bundesdeutschen Gesetzgebung dar. Inhaltlich sehr problematisch: die Opfer von Hass und Hetze werden nicht effektiv geschützt…., nun muss der Gesetzgeber nachbessern beziehungsweise auf Europas rechtliche Regeln zu Digital Services Act warten.

Bitter. Also muss auf zwei Ebenen eine Reparatur erfolgen: rein grundsätzlich will Europa auch nach dem Vorbild Deutschlands unfaires Verhalten und Geschäftspraktiken, Straftaten regeln und arbeitet an einem hochkomplexen Digital Service Act, der allerdings noch im Gesetzgebungsverfahren ist. Zugleich muss Deutschland nachbessern und sein Gesetzesvorhaben dem Europarecht anpassen.

V.i.S.d.P.:

Thomas Schulte
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