Reputationsrecht – Verschärfung des Strafrechts in Sachen Volksverhetzung

5. November 2022

Reputationsrecht - Verschärfung des Strafrechts in Sachen Volksverhetzung

Weitgehend unbemerkt und ohne große Diskussion hat die Legislative in Deutschland die Strafbarkeit sogenannter Volksverhetzung ausgeweitet. Immerhin 514 Stimmen groß war die Mehrheit im deutschen Bundestag, während an diesem 20. Oktober 2022 nur 92 Abgeordnete dagegen stimmen. 

§ 130 Abs. 5 Strafgesetzbuch neu gefasst

Wer Völkermord oder Kriegsverbrechen nach Inkrafttreten des § 130 V StGB (neu) „gröblich“ verharmlost, öffentlich billigt oder leugnet, verwirklicht den Tatbestand der Volksverhetzung und kann somit wegen Volksverhetzung bestraft werden. Dieses kann Online oder Offline geschehen. Dies könnte auch Äußerungen auf Versammlungen umfassen, z. B. während einer Demonstration.

In einem so genannten Omnibusverfahren, d.h. ohne inhaltlichen Bezug zu einem anderen Gesetz wurde diese Schärfung beschlossen. Getreu dem Motto von Bismarck, der als erster Kanzler des Deutschen Reiches die Formulierung gebrauchte, niemand möchte wissen, wie Würste oder Gesetze gemacht werden.

Genau nach § 130 Abs. 5 StGB macht sich strafbar, wer Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in einer Weise billigt, leugnet oder verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

Anpassung an eine Beschwerde der Europäischen Union

Europas Musterschüler Deutschland war doch tatsächlich von der Europäischen Union gerügt worden. Durch ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland im Dezember 2021 wachte die Deutsche Regierung auf. Die Kommission hatte beanstandet, dass Deutschland den „Rahmenbeschluss 2008 / 913 / JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ nicht ausreichend umgesetzt hat, insbesondere was die öffentliche Leugnung und grobe Verharmlosung betrifft.

Auch Holocaust-Leugnung wird härter bestraft

Wie die Ampel-Bundestagsfraktion laut Ltd.de erklärte, wurden diese beiden Handlungen bisher nicht explizit in einer deutschen Strafvorschrift erwähnt. Auch wenn solche Taten in der Regel unter den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB fallen, werden die öffentliche Billigung, Leugnung und grobe Verharmlosung nun „ausdrücklich unter Strafe gestellt“. Den Tätern drohen bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

130 Abs. 3 StGB stellt die Billigung, Leugnung oder Verharmlosung des nationalsozialistischen Völkermordes (z.B. Holocaustleugnung) unter Strafe, die neue Vorschrift jedoch nur die „grobe Verharmlosung“. Begründet wird diese Abweichung mit der deutschen Geschichte: Vor diesem Hintergrund sei das Spektrum der strafbaren Holocaust-Verharmlosungsäußerungen in § 130 Abs. 3 StGB „etwas breiter“ als bei anderen Völkerrechtsverbrechen, so die Ampel.

„Die Billigung völkerrechtlicher Verbrechen in einer Versammlung sollte nach § 140 Nr. 2 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten) strafbar sein“, heißt es in der Beschlussempfehlung. Paragraf 130 Absatz 3 des Strafgesetzbuches stellt die Billigung, Leugnung und Verharmlosung des Holocaust unter Strafe.

Einschränkung der Meinungsfreiheit

Äußerungsrechtliche Beschränkungen sind immer problematisch, weil diese mit der Meinungsfreiheit, die grundgesetzlich garantiert wird, in Einklang gebracht werden müssen. Deshalb sind im Nachgang der Gesetzesänderung Urteile notwendig, um die notwendige Klarheit zu erarbeiten. Angesichts einer Strafandrohung von bis zum fünf Jahren für die Holocaust Leugnung und bei Volksverhetzung von bis zu drei Jahren nicht unproblematisch.

Jahrelang kann bei der Volksverhetzung um sprachliche Verästelungen gestritten werden

Klassisches Beispiel: Das Amtsgericht Krefeld verurteilte jemand, der mit einem Plakat auf einer „Demo“ herumgestanden hatte, wegen Volksverhetzung. Hiergegegen legte der Angeklagte schlussendlich Verfassungsbeschwerde ein. Nach der Verurteilung 1996 waren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sechs Jahre vergangen. 2002 ging das Verfahren dann zurück zum Amtsgericht, weil nach der Auffassung der obersten Verfassungshüter Deutschlands, die Meinungsfreiheit durch das Urteil eingeschränkt sei und nicht ausreichend gewürdigt worden sei, dass die Formulierungen auf dem Plakat mit einem Fragezeichen versehen gewesen seien. „Der Beschwerdeführer verfasste im Sommer 1995 ein Flugblatt mit der Überschrift „Benehmen sich so Gäste?“. In dem Flugblatt schilderte er Einzelheiten einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen einer deutschen und einer türkischen Familie in einem Mehrfamilienhaus in Krefeld. In den Überschriften zu den einzelnen Absätzen dieser Darstellung hieß es unter anderem „Terror von Türken an Deutschen“, „Ethnische Säuberung an Deutschen in Deutschland?“, „Türkisches Rollkommando mit Taxis zum Einsatz“ sowie „Darf die Polizei nicht helfen?“. Im letzten Abschnitt des Flugblattes rief er dazu auf, sich eine Meinung zu dem Geschehen zu bilden und sie ihm mitzuteilen.“ Vor dem Verfassungsgericht meinte der Beschwerdeführer er habe doch nur Fragen gestellt. Beschluss vom 12. November 2002 – 1 BvR 232/97 

Fazit und Einschätzung

Strafrechtsverschärfungen im Bereich Äußerungsrecht bringen immer Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich. Praktiker befürchten daher jahrelange Auseinandersetzungen und wenig Relevanz des Gesetzes für die Rechtspraxis. Im Grunde kann eine gute Diskussionskultur und Respekt vor den Werten unserer Gesellschaft nur schwer mittels Strafrecht durchgesetzt werden.

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